
ISBN | n.n.b. |
Format | 12,5 x 19 cm Paperback |
Seiten | 140 |
Preis | n.n.b. |
Veröffentlichungstermin | vorauss. 11.2025 |
Jérôme Erpenwijn, ein visionärer Stadtsoziologe, sieht in Städten weit mehr als bloße Lebensräume. Für ihn sind sie Spiegelbilder der gesellschaftlichen Dynamiken, in denen Hoffnungen, Ängste und Konflikte gleichermaßen sichtbar werden. In seinem Werk Stadt der Spiegel beschreibt er, wie Städte zunehmend fragmentiert werden. Während einige Viertel durch Gentrifizierung und wirtschaftlichen Aufschwung glänzen, geraten andere in Vergessenheit. Diese räumliche Aufspaltung ist für Erpenwijn nicht nur eine Folge sozialer Ungleichheiten, sondern ein Mechanismus, der diese weiter verstärkt. Die Stadt wird so zu einem Raum der Polarisierung, in dem Nähe und Distanz oft paradoxerweise nebeneinander existieren.
Erpenwijn prägt den Begriff der „strukturellen Entfremdung“, um die Isolation zu beschreiben, die trotz der physischen Nähe in Städten herrscht.
Stadt der Spiegel
Mit Stadt der Spiegel legt Jérôme Erpenwijn ein tiefgehendes und aktuelles Sachbuch vor, das die Herausforderungen und Chancen urbaner Lebensräume beleuchtet. Der niederländische Stadtsoziologe analysiert die Polarisierung moderner Städte und zeigt, wie Digitalisierung, soziale Ungleichheit und Fragmentierung das städtische Leben prägen. Mit wissenschaftlicher Präzision und einem Gespür für die Feinheiten des Alltags bietet Erpenwijn neue Perspektiven auf das Leben in der Stadt – und Hoffnung auf eine bewusst gestaltete Zukunft.
Leseprobe:
Es war eine unsichtbare Landkarte der sozialen Unterschiede, die sich nicht in jedem Stadtplan fand, aber in jeder Begegnung spürbar war. Diese Landkarte offenbarte sich in den Vierteln, die wir nur vom Hörensagen kannten, in den Stimmen der Erwachsenen, die bestimmte Themen zu meiden schienen, und in den Blicken, die gelegentlich mehr sagten als Worte. Die soziale Topografie Amsterdams war kein starres Gefüge, sondern ein dynamisches, ständig in Bewegung befindliches System. Während einige Grenzen langsam verschwanden, zogen andere neue Linien, manchmal sichtbar, oft aber auch nur spürbar in der Art, wie Menschen miteinander umgingen.
Ich erinnere mich daran, wie ich als Kind die unterschiedlichen Atmosphären der Viertel aufnahm. Oud-West, wo wir lebten, war ein Ort der Kontraste. Hier trafen alteingesessene Familien mit festen Traditionen auf junge Künstler und Berufstätige, die ihre eigenen Träume mitbrachten. Es war ein Viertel, das sich ständig veränderte und dennoch eine gewisse Beständigkeit bewahrte. Die kleinen Läden an der Ecke, der Duft von frischem Brot aus der Bäckerei, das Geräusch der Fahrräder, die auf den Pflastersteinen vorbeizogen – all das bildete die Kulisse für eine Kindheit, die sowohl von Freiheit als auch von einer diffusen Wachsamkeit geprägt war.
Die Unterschiede, die ich damals wahrnahm, waren nicht nur wirtschaftlicher Natur. Sie zeigten sich in den Kleidungsstilen, in der Sprache, die auf der Straße gesprochen wurde, und in den Geschichten, die die Erwachsenen erzählten. Manche Nachbarn schienen ihre Wurzeln tief in der Stadt zu haben, während andere wie vorübergehende Gäste wirkten. Diese Vielfalt war sowohl inspirierend als auch verwirrend, und sie weckte in mir früh das Interesse daran, die Mechanismen zu verstehen, die eine Stadt prägen und formen.
Mit der Zeit begann ich zu begreifen, dass diese unsichtbaren Grenzen nicht nur eine Herausforderung waren, sondern auch eine Chance. Sie zwangen mich, genauer hinzusehen, zuzuhören und zu hinterfragen. Amsterdam lehrte mich, dass eine Stadt mehr ist als ihre physische Struktur. Sie ist ein lebendiges Wesen, geprägt von den Menschen, die sie bewohnen, und von den Beziehungen, die sie miteinander eingehen. Jede Begegnung, jede Interaktion fügt eine neue Schicht hinzu, macht die Stadt reicher und zugleich komplexer.