ISBNn.n.b.
Format12,7 x 20,2 cm Paperback
Seiten400
Preisn.n.b.
Veröffentlichungsterminvorauss. 08.2025

This is the German edition of Nirgendwann.
The English version can be found here →


Plan B war auch Mist…

Jo steht mit dem Rücken zur Wand. Als ihr Chef endgültig zu weit geht, platzt ihr der Kragen. Doch was kommt danach? Kein Geld, kein Job, keine Wohnung – und das alles in einer Stadt, die keine Rücksicht nimmt.

Mit bissigem Humor, einer Portion Trotz und der Hilfe eines eigensinnigen älteren Herrn kämpft sie sich durch ein Großstadtleben voller Hindernisse. Zwischen billigen Kaffeebechern, fragwürdigen Vorschlägen und einem Hoffnungsschimmer stellt sich die Frage: Wie weit muss man fallen, um wieder aufzustehen?

Eine Geschichte über Selbstachtung, klare Ansagen und den Mut, sich nicht unterkriegen zu lassen.


Leseprobe

„Du tropfst in mein Schlafzimmer.“

Er steht da wie ein ertappter Schuljunge. Schultern hängen runter, Hände schützend vor seinem jetzt winzigen Pimmelchen.

Pitschnass steht er im Türrahmen zwischen Schlafzimmer und Bad. Wasser läuft von seinen Haarspitzen, kleine Tropfen sammeln sich auf dem Boden. Nicht gerade das Bild, das man sich am Morgen wünscht. Vor allem nicht nach einer Nacht wie der letzten.

„Soll ich nicht noch mal zu dir kommen? Oder vielleicht Frühstück holen?“ Seine Stimme klingt fast hoffnungsvoll, als würde er glauben, dass diese Nacht irgendwas bedeutet. Etwas Tieferes. Aber sein Anblick sagt das Gegenteil. Mein Schädel brummt, mir ist gerade nicht nach Sex. Ganz im Gegenteil.

Er hat wohl mehr erwartet. Etwas, das über eine einfache Verabschiedung hinausgeht. Gleich fragt er mich, ob er meine Nummer haben kann. Ich spüre schon, wie sich das unangenehm zusammenbraut. Hoffentlich bricht er nicht in Tränen aus. Jetzt heißt es, hart und konsequent bleiben. Kein Spielraum für Mitleid.

„Nein, du trocknest dich jetzt ab und dann musst du leider gehen“, sage ich so ruhig und bestimmt wie möglich. „Es war nett, aber mehr ist das jetzt nicht. Und Frühstück fällt aus. Ich muss arbeiten.“

Kann ja schlecht sagen, dass der Kühlschrank leer ist, weil ich pleite bin. Und ich will jetzt auch einfach meine Ruhe. Aufhören, bevor es nervt.

Gestern sah er besser aus. Eine dieser Nächte, in denen man sich einredet, dass der Typ ganz passabel aussieht, wenn das Licht richtig fällt und der Alkohol ein bisschen die Sicht trübt. Aber bei Tageslicht? Na ja. Es gibt Dinge, die sollten lieber in der Dunkelheit bleiben.

Ich deute auf den Stapel Handtücher im Bad. „Nimm dir eins, und dann musst du leider gehen.“

Nicht zu streng klingen. Vielleicht tut er mir ein bisschen leid – nein, eigentlich nicht. Je schneller er draußen ist, desto besser. Es ist für mich eindeutig vorbei, bevor es überhaupt hätte anfangen können.

„Es ist Sonntag, da musst du arbeiten?“ Er klingt überrascht. Wahrscheinlich hatte er sich einen gemütlichen Morgen vorgestellt. Brunch. Vielleicht mit einer Art erotischem Nachschlag zur Nacht. Brötchen zum Frühstück? Meine? Oh Gott, Spießertum im Anmarsch.

„Ja, stell dir vor, ich muss arbeiten.“ Dieses Mal deutlich gereizter. Ich habe echt keine Lust auf eine Diskussion. Ich will meine Ruhe und so schnell wie möglich wieder allein sein.

Er seufzt tief, schleppt sich ins Badezimmer, als würde die ganze Welt auf seinen Schultern lasten. Aber er schafft es. Ohne auf dem Weg dorthin zu verenden. Ich höre das Waschbecken laufen. Stelle mir vor, wie er sich bedrückt abtrocknet, als hätte ich ihm gerade das Herz gebrochen. Wahrscheinlich hat er sich wirklich Mühe gegeben. Aber das allein reicht nicht. Die Nacht war nicht schlecht, aber nichts in mir will eine Wiederholung. Immerhin war er kein „One-Shot-Wonder“, aber das ist auch schon das Beste, was ich über den Abend sagen kann.

Nach ein paar Minuten kommt er aus dem Badezimmer zurück. Jetzt angezogen in T-Shirt und Jeans. Seine Schultern hängen noch tiefer als vorher. Er lehnt sich linkisch an den Türrahmen, unsicher, was er als Nächstes tun oder sagen soll.

„Ich habe deine Zahnbürste benutzt. Ich hoffe, das war okay.“

War es nicht! Er hat auch mein Handtuch benutzt. Mein Handtuch. Und sich vermutlich den Arsch und Eier damit abgetrocknet. Mein Handtuch fürs Gesicht! Ich sehe förmlich vor mir, wie ich nachher die ganze Wohnung desinfizieren muss – besonders das Badezimmer. Neue Zahnbürste, definitiv. Aber das muss ich ihm nicht unbedingt sagen. Ich will das hier nicht noch weiter in die Länge ziehen. Also: Tschüss und Tür zu.


Noch ne Leseprobe

Büdchen

Aber wie ist das Zusammenleben in der Großstadt, wie ist das mit dem Wunsch nach Gemeinschaft? Ein Dorf ist die Stadt nicht mehr. Auch keine Dorfgemeinschaft. Hier in Köln leben mehr Singles als Familien, mittlerweile über 50 %. Alle vereinzelt in kleineren oder größeren Wohnungen.

Aber der Wunsch nach Gemeinschaft, dem Viertel, der Hood, ist noch da. Man identifiziert sich über die Ecke, wo man wohnt, wo man einkauft, welche Geschäfte man frequentiert. Südstadt, Ehrenfeld, das bestimmt den Stil. Man will zu etwas gehören, auch wenn man mit den Menschen im Viertel wenig oder gar keinen Kontakt hat. Aber man kommt aus der Südstadt, fast so wie: ‚ich komme aus dem Dorf dahinten.‘

Das wird aber nicht dadurch gelebt, dass man sein Viertel real erlebt. Vieles passiert in digitaler Form im Internet. Ein virtuelles Viertel, fast wie die Gruppen in Facebook, Instagram, Discord, Slack oder oder …

Ich habe früher mehr mitbekommen. Die Kunden kamen rein, es wurde über den Jupp gelästert, was die Luzie wieder gesagt hat, wer alles fremdging, wer nachts schon mal an fremden Türen klopfte. Kurz, was im zwischenmenschlichen so alles passierte.

Da formte sich in meinem Kopf ein Bild einer Umgebung, die durch Personen, Schicksale und Ereignisse definiert wurde. Wie Landmarken, die einem die Orientierung in einer teilweise unbekannten Landschaft erleichtern. Stecknadeln auf einer Übersichtskarte, durch Ereignisse und Personen unsichtbar verbunden und zusammen gehalten.

Da hinten, da wo früher der Metzger war, der immer im Winter ein Wildschwein an der Tür hängen hatte, daneben wohnte dieser seltsame Klavierlehrer, zu dem die Mädchen aus besserem Haus marschierten. Jetzt ist der Metzger weg, in den Räumen haust ein kleines Architektenbüro und der Klavierlehrer ist weg. Landmarken verschoben sich immer schon. Manche verschwanden, wurden verlegt oder es kamen neue hinzu.

Heute werden diese Marken immer weniger, weil niemand mehr das Büdchen zum Update von Informationen nutzt. Klar, es gibt immer noch die ein oder andere, teilweise saftige Neuigkeit, aber mehr und mehr werden meine Landmarken weniger und es sind nur noch Informationen, die nur Alteingesessenen etwas sagen. ‚Das ist da wo früher der Müller wohnte, der mit dem Holzbein.‘

Die Landmarken verblassen, weil immer weniger den Herrn Müller kannten und andere mit dieser Information auch gar nichts mehr anfangen können. Die Landkarte wird immer leerer.

Wir laufen durch diese Stadt, haben unsere Wohnung und unser sogenanntes Umfeld, unsere ‚Hood‘, in dem wir uns weitgehend sicher bewegen. Wir sind vereinzelt, leben als Single, sehnen uns aber in der Regel nachdem, was den Menschen früher ausgemacht hat: Gemeinschaft.

Wir ziehen durch unser Viertel wie Schiffe durch den Nebel. Wir signalisieren mit unseren Signalen, einem Nebelhorn gleich, unsere Position. Wir hören auch andere Schiffe, die unterwegs im Nebel sind. Vielleicht auf dem gleichem Weg wie wir, auf den imaginären sicheren Zielhafen zu oder eine andere gleiche Position – aber sehen können wir niemanden.

Wir hören die anderen. Wir denken uns, dass wir nicht allein sind und das gibt uns ein wenig Sicherheit. Wir wissen ja, dass da draussen andere unterwegs sein müssen, die das gleiche suchen wie wir.

Und gleichzeitig haben wir Angst, dass wir uns zu nahe kommen. Denn ein Zusammentreffen könnte im schlimmstem Fall eine Havarie bedeuten, einer oder beide erleiden Beschädigungen oder schlagen Leck und gehen vielleicht unter.

Aber wir sehnen uns nach Nähe, und haben gleichzeitig Angst, uns anderen weiter zu nähern. So treiben wir dann lautlos durch die Nacht und den Nebel, hören die anderen rufen. Vielleicht antwortet ein Schiff, dass uns damit sagt, dass es uns gehört hat und uns indirekt wahrgenommen hat. Wir rufen – und bleiben doch allein.

Lediglich das Wissen, dass dort draussen andere sind, die auch suchen, tröstet uns etwas. Nicht viel, aber etwas. Und vielleicht lichtet sich auch der Nebel irgendwann.

Vielleicht müssen wir auch etwas mutiger werden, genauer hinhören und uns langsam an andere Schiffe herantasten. Vielleicht ist der Nebel ja auch nicht so dicht wie wir annehmen und wir könnten mit langsamer Fahrt uns anderen Schiffen vorsichtig näheren. Bei Gefahr könnten wir immer noch abdrehen und wieder im Nebel verschwinden.

Aber das bedarf Mut. Mut sich auf ein Wagnis einzulassen um gegebenenfalls versenkt zu werden.

Die Stadt ist wie ein Meer mit Riffen und Sandbänken, mit Häfen und Buchten. Wir navigieren nach Gehör, vielleicht nach Karten. Doch im Nebel sind wir alle gleich. Allein und auf der Suche nach Sicherheit.


Noch ne Leseprobe

Sie schleppt sich zum Café. Jetzt wird dieser Job echt wichtig. Heute ist sie sogar überpünktlich, was Freddi nicht mal bemerkt. Er grunzt ihr etwas zu und schließt auf. Sie schnappt sich direkt ihre Schürze und wirft die Kaffeemaschine an. Dann sortiert sie wie jeden Tag die angelieferten Waren. Die, die hinter der Theke bleiben und die, die für die Küche sind. Als sie die Waren in die Küche räumt, ist Matzner schon deutlich besser drauf.

„Na, Schnecke, sollen wir was heute Abend essen gehen?“

„Tut mir leid, Freddi, aber das geht nicht. Ein anderes Mal vielleicht.“ Sie drückt sich an ihm vorbei und wuchtet die Kartons in das Vorratsregal. Ihr kommt aber eine Idee. „Aber sag mal, Freddi. Könntest du mir meinen Lohn jetzt schon auszahlen? Es sind ja nur ein paar Tage bis zum Ersten.“

„Mhm, könnte ich.“

„Also machst du das, bitte? Ja?“

„Biste mal wieder pleite?“, fragt Freddi lauernd.

„Ja, nein, schon. Ich muss nur noch ein paar Sachen bezahlen und das würde gerade einfach passen.“

„Gehst du denn mit mir essen, Schnecke?“

„Freddi, das hat doch nichts miteinander zu tun. Bitte, ich möchte meinen Lohn einfach nur ein paar Tage früher als sonst. Und du zahlst eh Cash, also eigentlich kein Aufwand, oder?“

„Weißt du, Jo, du könntest ruhig was netter zu mir sein.“

Sie hören beide, wie die Cafétür aufgeht. Jo flüchtet nach vorn und hinter die Theke.

„Hallo und guten Morgen, was kann ich dir Gutes tun?“, fragt sie den Gast.

„Kaffee erst mal.“

„Ist schon fast fertig“, sagt sie fröhlich und macht die Kaffeemaschine klar. „Geht sofort los, die Maschine braucht noch ein paar Minuten. Du bist heute der Erste.“

Der Gast setzt sich an einen Tisch. Jo ist froh, dass sie gerade nicht mit Freddi weiter verhandeln muss. Sie merkt, wie nervös sie ist.

Jetzt kommen Gäste im steten Fluss in den Laden. Zwischendurch schafft sie es noch, die Schiebetüren zu öffnen. Die Konzentration auf die Arbeit gibt ihr wieder Sicherheit.

Dann ist irgendwann einmal ein Loch, keiner kommt, es ist ausnahmsweise mal ruhig. Sie geht noch einmal in die Küche.

Freddi sitzt da an seinem Minitisch, sein ‚Büro‘, wie er es immer hochtrabend nennt.

„Freddi, was ist mit dem Lohn, geht das klar?“

Er steht auf, lässig, kommt auf sie zu. Er legt die Hand auf ihre Schulter. „Na, wenn es dir so wichtig ist, Jo, da finden wir doch bestimmt einen Weg.“

„Das wäre toll, Freddi, echt, das würde mir gerade eine Menge Mühe ersparen.“ Jo ist erleichtert. Sie hatte eigentlich wie immer mit seinem Widerstand gerechnet. „Vielleicht könntest du mir auch gleich einen Vorschuss geben, das wäre noch besser, Freddi.“

Freddi hat seine Hand noch immer auf ihrer Schulter. „Schnecke, alles kein Problem, wenn du ein bisschen nett zu mir bist, werden wir uns da sicherlich einig.“ Er drückt sich dicht an sie und quetscht ihr die Brust. „Sei einfach nett zu mir, ein wenig Liebe, und du kannst deinen Lohn gern etwas früher haben.“

Jo erstarrt, dann bricht es aus ihr heraus. Erst haut sie Freddi ein runter, dass er einen Schritt nach hinten taumelt, dann tritt sie mit voller Kraft zu. „Du Sau“, brüllt sie, „du gehst mir nicht noch mal an die Wäsche, du Dreckskerl!“

Freddi sackt stöhnend zusammen und hält sich die Eier, die sie anscheinend voll getroffen hat. Innerlich gratuliert sie sich zu ihrer Treffsicherheit, ahnt aber, dass das Konsequenzen haben wird.

Freddi hält sich mit einer Hand an seinem Tisch fest und versucht, langsam wieder hochzukommen.

Zwischen Stöhnen und Ächzen schafft er es sogar einen Satz herauszuquetschen. „Du miese Hure, du bist gefeuert. Verpiss dich. Und die Kohle kannst du vergessen. Wenn du bei Drei nicht aus meinem Laden bist, ruf ich die Polizei und sag denen, dass du hier die Einnahmen geklaut hast. Dreckstück.“ Er sinkt langsam, ganz vorsichtig, auf seinem Bürostuhl zusammen.

Jo steht da wie erstarrt. Keine Kohle. Jetzt ist sie im Arsch. Dann ist jetzt auch alles egal. Sie wischt mit einer großen Bewegung die Arbeitsfläche frei. Mit großem Getöse fliegen im hohen Bogen Salatblätter, Tomatenscheiben, eine Kanne Milch, Mehl und anderes durch die Luft und verteilen sich gleichmäßig auf Freddi. Das Regalbrett mit den Gewürzen muss auch dran glauben. Die Behälter mit Curry, Paprika, Salz und Pfeffer fliegen durch die Luft und verteilen sich ordentlich auf Freddi.

Die zwei Gäste im Café haben den Krach und das Geschrei deutlich mitbekommen und schauen mit offenem Mund, wie Jo aus der Küche kommt, hochrot und fuchsteufelswild. „Es tut mir leid, aber dieses Café schließt jetzt. Der Chef ist unpässlich. Die Getränke gehen aufs Haus. Bitte gehen Sie jetzt.“

Sie geht hinter die Ladentheke, macht die Kasse auf und holt sich die Tageseinnahmen, ganze 90 Euro und das Wechselgeld. Kein Monatslohn, aber zumindest etwas. Dann räumt sie mit einer ausholenden Bewegung das Regal hinter sich ebenfalls leer. Die letzten Gäste nehmen Reißaus. Es scheppert gewaltig, als die Tassen und anderen Utensilien auf den Boden knallen. Auch das zweite Brett mit den Spirituosen muss dran glauben. Alles fliegt im hohen Bogen durch den Laden. Der Inhalt der Flaschen bildet eine klebrige Fläche auf dem Boden. Eine Flasche spart sie sich auf. Wenn verschissen, dann richtig, denkt sie.

Das Café sieht jetzt aus wie nach einem Bombenangriff. Sichtlich zufrieden steigt Jo über kaputte Tassen, Glasscherben, Brötchen, Kaffee und Milchreste. Sie geht. Hier wird sie nie wieder einen Fuß über die Schwelle setzen. Sie fühlt sich gut. 90 Euro und eine Flasche Bacardi. Immerhin.