Format12,5 x 19 cm Paperback
Seiten128
Preis9,95
epub€ 8,99
Veröffentlichung01.2025
ISBN print978-3-911831-11-6
ISBN epub978-3-911831-10-9

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Gerd-Gustl Müller, geboren 1948 in Lüdenscheid, lebte in den 1970er Jahren einige Zeit in Berlin. Er war damals Schriftsetzerlehrling, Grafikstudent, Versicherungsvertreter und Kraftfahrer. Daneben engagierte er sich in politischen Jugendgruppen und Freizeitheimen.

Heute schreibt er Bücher über das Segeln.

1977 verfasste Müller ein Jugendbuch und bemerkte dazu: „Ich habe dieses Buch geschrieben, weil ich glaube, dass es trotz deutlicher Verbesserungen in den letzten Jahren immer noch viel zu wenig Bücher, Filme und Musik gibt, die sich mit der wirklichen Lebenswelt der Jugendlichen auseinandersetzen. Gleichzeitig hat mir die Arbeit großen Spaß gemacht und mir geholfen, mich selbst besser zu verstehen. Ich war selbst auf der Suche, habe wichtige Beziehungen aufgebaut, aber auch verschenkt oder zerstört, und musste mühsam lernen, dass ich allein bleibe, wenn ich allein sein will – und dass alles letztlich begreifbar und veränderbar ist.“



Auszeichnung

Deutscher Jugendliteraturpreis

Auswahlliste 1978, Kategorie: Sonderpreis, thematisch.

Jurybegründung
Diese haut- und zeitnahe Situations-Skizze aus dem Berliner Milieu fängt die Schwierigkeiten arbeitsloser Jugendlicher ein und zeigt exemplarisch die Folgen: Resignation, Flucht in den Alkohol und Bandentum, Kriminalität.


Vorwort zur Neuauflage

Die 1970er-Jahre waren eine Zeit des Übergangs, besonders in einer Stadt wie Westberlin, die im Zentrum des Kalten Krieges stand. Eingekreist von der DDR wurde, Westberlin zu einem Symbol der Freiheit und des Widerstands gegen die Teilung Europas. Politisch war die Stadt jedoch ebenso ein Ausnahmefall: Während die Bundesrepublik wirtschaftlich wuchs, blieb Westberlin ein von Subventionen abhängiges Inselreich – abgeschnitten vom Rest des Landes und zugleich ein Brennpunkt der internationalen Politik.

Für Jugendliche bedeutete Westberlin in dieser Zeit eine Mischung aus Chance und Sackgasse. Einerseits lockte die Stadt mit ihrer kulturellen Vielfalt und ihrer Rolle als „Frontstadt“ der freien Welt. Andererseits war die wirtschaftliche Situation schwierig: Der Arbeitsmarkt bot jungen Menschen oft nur prekäre oder schlecht bezahlte Jobs. Viele fühlten sich perspektivlos, eingeengt zwischen einer Mauer die sie physisch und psychisch begrenzte, und den Erwartungen einer Gesellschaft, die noch stark von konservativen Werten geprägt war.



Doch Westberlin war mehr als seine politischen und wirtschaftlichen Probleme. Die Stadt entwickelte eine eigene, fast rebellische Identität, die besonders unter Jugendlichen deutlich wurde. Der Wehrdienst musste hier nicht abgeleistet werden, was viele junge Männer aus der gesamten Bundesrepublik anzog. Subkulturen blühten auf: Hausbesetzungen, die Punkszene und alternative Lebensgemeinschaften prägten das Straßenbild. Es war eine Stadt der Extreme, in der man entweder nach oben wollte, – oder bewusst am Rand der Gesellschaft lebte.



Für 17-Jährige in den 1970er-Jahren war Westberlin ein Ort voller Wiedersprüche. Es war ein Zufluchtsort für Freigeister, ein Paradies für Künstler und eine Spielwiese für junge Menschen, die sich gegen die Zwänge der etablierten Gesellschaft auflehnten. Gleichzeitig war es ein hartes Pflaster, vor allem für jene, die sich einen Platz in der Arbeitswelt erkämpfen wollten. Die Sehnsucht nach Selbstverwirklichung und die raue Realität des Alltags prallten hier besonders heftig aufeinander.

Diese Neuauflage des 1977 geschriebenen Buchs erzählt nicht nur die Geschichte von Jugendlichen, die ihren Weg in einer geteilten Stadt suchten, sondern wirft auch ein Licht auf die einzigartigen Bedingungen, die Westberlin zu jener Zeit prägten. Es ist eine Momentaufnahme einer Ära, in der eine Generation versuchte, ihren Platz in einer Welt voller Spannungen und Grenzen zu finden – und dabei oft an sich selbst wachsen musste.


Leseprobe

… Die Musik brach mitten in einem Stück ab. Alle schrien sich noch weiter in die Ohren, es dauerte einen Moment bis sie sich an die neue Lautstärke gewöhnt hatten. Aus den Boxen kam jetzt unregelmäßiges Rumpeln, gelegentlich das hohe schrille Pfeifen einer Rückkopplung. Kurz darauf tauchte Sieke auf.

– Komm mal, Manne. Du musst mir helfen.

— Was ist denn los?

– Komm mit.

Sie drängten sich zur Stirnseite des Raumes, an der die Anlage aufgebaut wurde. Kabelgewirr, Mikros, Schlagzeug und eine Reihe kleinerer Boxen verschiedener Bauart. Sehr aufwendig war die Sache nicht.

– In meiner Gitarre ist der Wurm, sagte Sieke, will nicht.

– Ich hab da keine Ahnung von, wehrte Manne ab, hab son Ding noch nie zerlegt.

– Ich denke, du machst so was, mit Radios und so. Wir hatten jemanden, ders konnte, aber der hat sich abgeseilt.

– Zeig mal. Schalt mal ein.

Manne klopfte auf das Pick-up, schob den Stecker fester, knetete dann vorsichtig Stück für Stück das Kabel durch. Der Lautsprecher knackte dumpf.

– Apper Draht, sagte er.

– Was?

– Sagt mein Alter immer. Es gibt nur zwei Fehler, loser Draht und apper Draht.

Manne drehte das Gehäuse vom Stecker.

– Hier, die Lötstelle ist gebrochen, hast du zu viel dran rum gezerrt. Hast du nen Kolben?

– Keine Ahnung. Hier vielleicht.

Sie kramten einen Koffer voller Kabel, Stecker und Ersatzsaiten durch. Zinn war da, aber kein Lötkolben. Manne suchte einen großen Schraubenzieher heraus.

– Aber eine Gasflamme habt ihr doch?

– Klar, in der Küche.

– Sowas müsstest du eigentlich selber können, meinte Manne, das sind doch ganz einfache Sachen.

Er drehte die Spitze des Schraubenziehers langsam in der Herdflamme. Sieke schob schmutziges Geschirr beiseite, packte die Elektrogitarre auf den Tisch.

– Ich weiß schon, sagte er, aber ich hab einfach keinen Bock, mich damit abzugeben. Woher kannst du das denn?

– Von meinem Alten.

Manne löste vorsichtig mit dem heißen Eisen das Zinn ab, stellte die Verbindung wieder her.

– Der war mal Funker, sagte er.

Er ließ die Lötstelle abkühlen und zog sachte am Draht.

– Im Krieg. Und dann einfach ausprobieren. Du hättest mal die ersten Versuche sehen sollen, die ich mit unserer alten Musiktruhe gemacht habe. Das Ding schmorte so oft durch, dass der Alte immer meinte, ich würde noch mal ne Heizrippe draus machen.

Er drehte den Stecker wieder dran. …

"Der Job" von Gerd-Gustl Müller

Ein authentischer Blick auf das Berlin der 1970er Jahre

In "Der Job" (1977) zeichnet Gerd-Gustl Müller ein lebendiges Porträt des Lebens junger Menschen im Berlin der 1970er Jahre. Im Zentrum stehen Themen wie der schwierige Übergang ins Berufsleben, Freundschaft, familiäre Konflikte und die Suche nach Selbstbestimmung. Mit präzisen Milieuschilderungen und einer direkten Sprache fängt Müller die Atmosphäre dieser Zeit ein und bietet einen faszinierenden Rückblick auf das urbane Lebensgefühl in einer sich wandelnden Gesellschaft.

Ein zeitgeschichtliches Werk, das auch heute noch zum Nachdenken anregt und für Leserinnen und Leser interessant ist, die sich für Berlin und die Jugendkultur der 70er Jahre interessieren.



Rezensionen

01. Januar 1978 – Jugendbuchpreis  
02. Dezember 1977 – Die Zeit, Buchbesprechung  
02. Dezember 1977 – Die Zeit, Buchempfehlung zu Weihnachten