
Seiten | 330 |
Veröffentlichungstermin | vorauss. 05.2025 |
ISBN epub | 978-3-911831-29-1 |
ISBN Printausgabe | 978-3-911831-30-7 |
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John Meade Falkner
John Meade Falkner (1858–1932) war ein englischer Schriftsteller, Buchhändler und Industriemanager. Sein literarisches Werk ist schmal, aber prägnant – und Moonfleet, erschienen 1898, bleibt bis heute sein bekanntestes Buch. Die Geschichte des jungen John Trenchard, der in den Schmugglerkreisen von Dorset nach einem besseren Leben sucht und zwischen Loyalität, Schuld und moralischer Reifung seinen Weg sucht, gehört zu den Klassikern der englischen Abenteuerliteratur.
Falkner war kein Berufsschriftsteller. Nach seinem Studium in Oxford arbeitete er zunächst als Hauslehrer, später als Bibliothekar und Direktor eines Rüstungsunternehmens. Seine schriftstellerische Tätigkeit blieb ein Nebenweg – aber einer mit nachhaltiger Wirkung. Moonfleet zeichnet sich durch eine klare Sprache, psychologische Tiefe und eine fein austarierte Spannung aus, die das Buch weit über das Genre des Jugend- oder Abenteuerromans hinaushebt.
Das kontrabande-Verlagsprojekt versteht Moonfleet als literarisch wertvollen Text mit bleibender Relevanz: als Erzählung über Freundschaft, Verrat, Selbstfindung – und über die Suche nach dem richtigen Maß zwischen Gesetz und Gewissen.
Moonfleet
Der Wind fegt über die grauen Mauern der Kirche von Moonfleet, peitscht gegen die Grabsteine, unter denen mehr Geheimnisse ruhen, als es dem kleinen Küstendorf guttun kann. Als der fünfzehnjährige John Trenchard in der Gruft unter der Kirche einen verschollenen Hinweis auf das sagenumwobene Diamanten-Erbe des Colonel Mohune entdeckt, beginnt eine Geschichte, die sein Leben für immer verändern wird.
Was als kindliche Neugier beginnt, weitet sich rasch zu einer gefährlichen Reise aus. Durch dunkle Gänge unter dem Friedhof, über die Klippen der englischen Küste, in die Welt der Schmuggler, der Gesetzlosen und derer, die sich selbst über das Gesetz stellen.
Moonfleet ist kein einfacher Abenteuerroman. Es ist die Geschichte eines Jungen, der zu früh erwachsen wird, einer Freundschaft, die Prüfungen standhält, und einer moralischen Entwicklung, die aufzeigt, was Anstand bedeutet, wenn das Gesetz versagt.
John Meade Falkner erzählt mit lakonischer Klarheit und psychologischem Gespür. Sein einziger Roman hat Generationen geprägt – als Lehrstück über Verantwortung, Schuld und die Suche nach dem eigenen Kompass in einer Welt aus Nebel, Meer und Schweigen.
Leseprobe
Das Dorf Moonfleet liegt eine halbe Meile vom Meer entfernt, am rechten oder westlichen Ufer des Fleet-Bachs. Dieser kleine Wasserlauf ist so schmal, dass ich Leute kannte, die ihn ohne Sprungstange überspringen konnten, doch unterhalb des Dorfs weitete er sich zu Salzwiesen, ehe er schließlich in einen Brackwassersee mündete. Der See taugte zu nichts als für Seevögel, Reiher und Austern und glich jenen Gewässern, die man in den Kolonien eine Lagune nannte, abgeschirmt vom offenen Kanal durch einen gewaltigen Kiesdamm, über den ich später noch mehr erzählen werde.
Als Kind dachte ich, der Ort heiße Moonfleet, weil bei ruhigem Wetter, sei es Sommer oder frostiger Winter, der Mond so hell auf diese Lagune schien. Später lernte ich, dass es nur eine verkürzte Form von ‚Mohune-fleet‘ war, benannt nach den Mohunes, einer bedeutenden Familie, die einst hier das Sagen hatte.
Mein Name ist John Trenchard, und ich war fünfzehn Jahre alt, als diese Geschichte begann. Mein Vater und meine Mutter waren schon seit Jahren tot, und ich wohnte bei meiner Tante, Miss Arnold, die auf ihre eigene Art gut zu mir war, aber viel zu streng und pedantisch, als dass ich sie je hätte lieb gewinnen können.
Zuerst will ich von einem Abend im Herbst des Jahres 1757 erzählen. Es muss, auch wenn ich das genaue Datum vergessen habe, Ende Oktober gewesen sein. Ich saß nach dem Tee in dem kleinen vorderen Wohnzimmer und las. Meine Tante besaß nur wenige Bücher, eine Bibel, ein Gebetbuch und ein paar Predigtbände, an mehr erinnere ich mich nicht mehr. Aber der Reverend Mr. Glennie, unser Dorfschullehrer, hatte mir ein Buch geliehen, das voller Abenteuer und Wunder war: die Geschichten aus Tausendundeiner Nacht.
Schließlich wurde das Licht zu schwach zum Lesen, und ich war aus mehreren Gründen nicht unglücklich darüber, aufhören zu müssen. Erstens war das Wohnzimmer kalt, mit steifen Möbeln aus Rosshaar und einem Papierschirm im Kamin, denn meine Tante erlaubte vor dem ersten November kein Feuer. Zweitens roch es stark nach heißem Talg, da sie in der Hinterküche Winterkerzen zog. Und drittens war ich an einer Stelle im Buch angekommen, die mir fast den Atem nahm. Ich musste einfach eine Pause machen, so gespannt war ich.
Es war der Moment in der Geschichte von ‚Aladdin und die Wunderlampe‘, in dem der falsche Onkel einen Stein über den Eingang zur unterirdischen Kammer fallen ließ und Aladdin in völliger Dunkelheit einsperrte. Dieser will ihm die Lampe nicht überlassen, bevor er wieder sicher an der Oberfläche steht. Diese Szene erinnerte mich an einen dieser schrecklichen Träume, in denen man sich in einem winzigen Raum eingeschlossen sieht, dessen Wände immer näher rücken. Sie brannte sich so tief in mein Gedächtnis, dass sie mir später noch als Warnung diente.
Also legte ich das Buch beiseite und trat hinaus auf die Straße. Es war eine armselige Straße, selbst zu besten Zeiten, jetzt lebten keine zweihundert Seelen mehr in Moonfleet. Dennoch zogen sich die wenigen Häuser, die sie beherbergten, rechts und links der Straße verteilt, traurig über eine halbe Meile hin. Nichts wurde im Dorf je neu gebaut. Wenn ein Haus dringend repariert werden musste, riss man es einfach ab. So klafften gleich fehlenden Zähnen Lücken in der Straße, Gärten wucherten verwildert vor sich hin, Mauern zerfielen, und viele der noch stehenden Häuser sahen aus, als könnten sie nicht mehr lange der Zeit widerstehen.
Die Sonne war bereits untergegangen. Tatsächlich war es schon so dämmerig, dass man das untere, zum Meer hin gelegene Ende der Straße nicht mehr erkennen konnte. Ein leichter Nebel oder Rauch hing in der Luft, der nach verbrannten Unkräutern roch. Es war diese erste herbstliche Kühle zu spüren, die uns an flackernde Feuer und die Behaglichkeit langer Winterabende denken ließ.